Fanfiction - Sage meinen Namen

 


Chu Wanning arbeitet als eine der angesehensten Prostituierten in Nagasaki, Japan. Bis eines Tages der Mann, den sie alle Taxian-Jun nennen, beschließt, ihm nur für sich allein zu haben.

Warnung: ausführliche Sexszenen


So, meine erste Übersetzung, die im alten Japan spielt! Ich muss sagen, Dank sei Wikipedia für all die Bezeichnungen der Prostituierten und ihrer Ränge, die ich nachschlagen musste! Der aufmerksame 2HA-Leser wird einige Parallelen aus den Bücher finden - aber ich deklariere diese kleine Geschichte trotzdem als spoilerfrei (das Setting ist einfach ein ganz anderes). Ich hoffe, euch gefällt's!

Die Ursprungsgeschichte “Call me by my name” hat rinsled05 geschrieben. Wenn euch diese Übersetzung gefällt, schaut bitte auch beim eigentlichen Autor vorbei und hinterlasst Kudos :)

"Call me by my name” von rinsled05

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Chu Wanning hatte sich an seine vielen Namen bereits gewöhnt.

Hund“, „Halbblut“, „Abschaum“ waren nur einige von vielen, die er hatte, bevor er dann eine feste Arbeit fand – wenn man das wirklich so nennen konnte. Er wurde von der Straße aufgelesen von einer Frau, die eine lange Pfeife zwischen ihren rubinroten Lippen trug. Ihr Blick war forsch und stechend, als sie sein dreckiges Gesicht musterte und sie es zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger mal auf die eine und mal auf die andere Seite drehte. Selbst nachdem sie ihn bei sich aufgenommen hatte, änderte sich erst einmal nichts an der Kurzlebigkeit seiner Namen – noch hatte er irgendeinen Einfluss darauf, wie sie lauteten.

Von heute an nennst du dich Marokoshi“, verkündete die Frau inmitten des Rauchs, der von dem einen Ende ihrer Pfeife empor kroch, nachdem ihn die Diener gewaschen und wund geschrubbt hatten.

Marokoshi. Der Dreck Chinas.

Wie passend.

Von diesem Tag an bestand Chu Wannings Arbeit darin, auf Händen und Knien am Boden zu kauern und mit einen feuchten Lappen die hölzernen Dielen sauber zu wischen. Morgens war es ruhig, nachmittags kam ab und zu ein Gast herein, um nach einem ihrer Mitbewohner zu sehen. Die Abende waren ein einziger hektischer Trubel unter den Dienern, und man sagte ihm immer, dass er nicht im Weg stehen sollte, und er gehorchte. Er teilte sich ein Zimmer mit in paar Jungen, die alle etwa in seinem Alter waren, aber sie grinsten nur und steckten die Köpfe zusammen, wenn er bei ihnen war – sie bildeten Grüppchen und überlegten lauthals, woher er wohl stammen mochte, wer seine Familie war und was für eine Vergangenheit er wohl hatte. Jeden Tag blieb Chu Wanning für sich und er gehorchte den Befehlen der Frau – der Madam, so wollte sie genannt werden – die ihn bei sich aufgenommen, ihn gebadet und ihm zu essen gegeben hatte. Die ihm ein Zuhause geschenkt hatte.

In seinem ganzen Leben hatte noch nie jemand so viel für ihn getan.

Sechs Monate später änderte sich sein Name erneut.

Man hatte ihn auf ein Zimmer in einer der verbotenen Etagen bestellt, und Chu Wanning saß mit geradem Rücken und den Füßen unter seinem Po auf dem Boden, wie man es ihm beigebracht hatte. Die Frau war da, wie immer mit ihrer Pfeife zwischen den Fingern, und auch ein Mann mit einem wunderschönen Gesicht und herrlichen Kleidern. Er trug einen schwarzen Kimono, der mit goldenen Fäden bestickt war und einen fliegenden Kranich zeigte. Der Kimono wurde von einem großen, roten Obi zusammen gehalten. Der Raum war mit Möbeln und Schmuckstücken ausgestattet, die ebenso kostbar waren wie der Mann selbst – im Kerzenlicht funkelten goldene Ornamente und polierter Lack um die Wette.

Chu Wanning war wie verzaubert. Zumindest solange bis sich das Gesicht des Mannes verzog und sich seine scharlachroten Lippen zu einem ihm nur allzu vertrauten Grinsen bogen.

Das also ist der Gehilfe, den du mir empfiehlst?“

Madam schnalzte mit der Zunge. „Er ist der einzige Gehilfe, den ich dir noch empfehle, Fumikoshi. Wenn du diesen hier auch abweist, muss ich annehmen, dass du gar keinen haben willst.“

Fumikoshi’s Blick zuckte zu ihr zurück, seine Augen loderten vor Wut. „Nowaki hat bei all euren Junge die freie Wahl!“

Nowaki ist auch unsere höchste Einnahmequelle, unser Oiran.“ Madam blies eine Rauchwolke in Fumikoshi’s Gesicht, der zurück wich und heftig zu husten begann. „Dein Rang ist höchstens der eines Tsukemawashi.“

Du dumm, alte Hexe -!“

Was stört dich denn an Morokoshi?“, fuhr sie ruhig fort. „Er arbeitet hart, hört gut zu und er lernt schnell. Und mit seinem Aussehen wirst du keine Probleme haben, einen Stammkunden für ihn zu finden, ehe er sechzehn wird, was deinem eigenen Rang auch zugute kommen sollte. Gott im Himmel, du hast es nötig“, fügte sie noch hinzu, diesmal nicht ganz so leise.

Fumikoshi sah aus, als würde er gerne etwas Beleidigendes sagen, doch er beherrschte sich. „Wenn er so großartig ist, warum gibst du ihm dann nicht Nowaki?“, grummelte er.

Das würde ich, aber Nowaki ist der beste Orandayuki von uns – die Niederländer gehen voll auf ihn ab. Morokoshi würde viel besser zu unseren chinesischen Klienten passen.“ Madam nickt Chu Wanning zu. „Du sprichst doch immer noch deine Muttersprache, oder?“

Chu Wanning hielt den Blick starr auf den Boden gerichtet. „Ja, Madam.“

Er ist ein Halbblut?“, fragte Fumikoshi grollend.

Chu Wannings Hände ballten sich auf seinen Knien zu Fäusten.

Wen kümmert das?“ Die Madam atmete einmal tief aus und Rauch waberte aus ihrem einen Mundwinkel. „Er hat chinesisches Blut in seinen Adern und das ist alles, was wir brauchen.“

Eine Pause und dann stieß Fumikoshi ein Schnauben aus. „Schön. Schön. Wie du willst. Wie war sein Name noch mal? Morokoshi?“

Korrekt.“

Das passt nicht. Das muss etwas Poetisches sein. Etwas Gebildetes, so wie meiner.“

Die Madam sah ihn mit gehobener Augenbraue an. „Du willst etwas Gebildetes haben?“

Du hast mir diesen Namen gegeben, du Schlampe!“

Und niemand bereut das so sehr wie ich“, seufzte sie schwer. „Also gut. Dann soll sein Name von heute an Karauta sein: kara für Chinesisch und uta für Lied oder Gedicht. Wird das passen?“

Fumikoshi nickte. „Mir reicht’s. Du, Karauta.“

Chu Wanning senkte seinen Kopf noch ein bisschen tiefer. „Ja.“

Du wirst mich als Großer Bruder ansprechen und jeden meiner Befehle ausführen. Ist das klar?“

Ja, Großer Bruder.“

Gut, dann werde ich jetzt wieder gehen.“ Die Madam legte eine Hand auf Chu Wannings Kopf und wuschelte ihm einmal durchs Haar. Der angenehme Geruch von Asche und Rauch entschwand mit ihr, als sie aus dem Zimmer ging. „Seid gut zueinander, Jungs.“

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Fumikoshi war nicht gut zu ihm.

Er schickte Chu Wanning auf unmögliche Botengänge („Kauf mir Süßigkeiten, die nach Regenbogen schmecken.“); er ließ ihn sein Quartier drei, vier, ja manchmal sogar fünfmal am Tag putzen; er zwang ihn dazu klassische, japanische Gedichte aufzusagen und er ließ ihn stundenlang zur Strafe draußen vor seinem Zimmer knien, wenn auch nur ein einziger Vers nicht richtig gewesen war.

Chu Wanning tat pflichtbewusst alles, was ihm aufgetragen wurde, ohne sich auch nur mit einem Wort zu beschweren. Die einzigen Atempausen, die er bekam, waren die allmorgendlichen Unterrichtsstunden: Kalligraphie, Koto-Spiel, Gesang und Tanz. Die seltenen Tage, an denen Fumikoshi keine Aufgaben für ihn hatte, verbrachte Chu Wanning damit, jeden Text, jede Schriftrolle und jede Aufzeichnung, die er in die Finger bekam, zu verschlingen, bis er des nachts sogar von Gedichten und Kurzgeschichten träumte.

Aus irgendeinem Grund aber fachte Chu Wannings Fügsamkeit und seine wachsenden Fähigkeiten Fumikoshi’s Wut nur noch mehr an.

Doch nichts brachte seinen Großen Bruder in größere Raserei als die Aufmerksamkeit, die Chu Wanning von Fumikoshi’s Kunden erhielt – alles wohlhabende chinesische Kaufleute, die sich jede Nacht mit Fumikoshi trafen.

Das allabendliche Ritual – wie Chu Wanning sehr schnell lernte – bestand darin, alle Große Brüder des Hauses in voller Tracht und mit Make-up bemalt in zwei verschiedene Viertel zu bringen. Nowaki führte die eine Gruppe auf die Insel, wo die Niederländer wohnten, wohingegen Fumikoshi sich der anderen Gruppe anschloss, die die Chinesen auf dem Festland besuchten.

Vom ersten Tag an, seit Chu Wanning bei ihm war, waren Fumikoshi’s Klienten fasziniert von seiner Anwesenheit und der Art, wie leichtfüßig und elegant er sich bewegte – ganz anders als sein Großer Bruder. Sie fragten ihn nach seinen Pflichten im Haus, was er mochte und was nicht und wie es so war, Fumikoshi zu dienen. Chu Wanning antwortete jeder Frage mit gesenktem Blick und sanfter Stimme, er saß am Boden und die Hände lagen auf seinen Knien.

Meine Lieblingsfarbe ist weiß, denn ich könnte jede weitere Farbe hinzufügen, wenn ich wollte.

Ich mag den Herbst – und gleichzeitig mag ich ihn auch wieder nicht – wegen seiner Schönheit und der melancholischen Stimmung.

Auf dem Weg durch das einsame Feld in dies’ Jahren
die Schatten Verbindung
und Trennung erfahren.“

Wo habt ihr nur diesen kleinen Diamanten versteckt gehalten“, lachte der Kunde begeistert und Fumikoshi zitterte vor unterdrückter Wut.

Einmal sprach ihn ein Klient in seiner Muttersprache an. „Du siehst chinesisch aus“, sagte er.

Chu Wannings Herz pochte wild – es war so lange her, seit er die eigene Muttersprache gehört hatte. Er antwortete ihm, ehe er sich zurückhalten konnte: „Das bin ich.“

Grinsend wandte sich der Kunde an Fumikoshi. „Das ist bei euch doch Sitte, oder? Dass ihr euren Nachwuchs einarbeitet? Sobald er bereit ist, würde ich gerne sein Stammgast werden.“

Fumikoshi’s Gesicht nahm einen sehr hässlichen Ausdruck an.

In dieser Nacht erhielt Chu Wanning drei Peitschenhiebe und er wurde ohne Abendessen auf sein Zimmer geschickt.

Er hörte auf, die Fragen von Kunden zu beantworten.

Doch der Schaden war getan. Fumikoshi erfand die fadenscheinigsten Ausreden, um ihn bestrafen zu können – egal ob es nun einen kleinen Staubfleck auf der Kommode war oder die Tatsache, dass Chu Wanning, als er dem Kunden das Essen reichte, ein Reiskorn hatte fallen lassen. Die Madam ging nicht dazwischen, auch wenn es Chu Wanning nicht entging, mit welch mitleidigem Blick sie ihn bedachte, wenn sie einander im Korridor begegneten.

Manchmal fragte sich Chu Wanning, wie es wohl wäre, unter Nowaki zu dienen. Er hatte einige Blicke auf den anderen Mann und seine Lehrlinge erhaschen können. Er hatte gesehen, wie Nowaki mit ruhiger, fester Stimme zu ihnen gesprochen hatte, und wie ein Leuchten über die Gesichter der anderen Jungen lief, wann immer sie ihn erblickten. Nowaki war auch wunderschön. Natürlich, das waren sie alle. Aber es war eine Schönheit, die sich wärmer und freundlicher anfühlte – ein starker Kontrast zu Fumikoshi’s wildem Temperament.

Es machte keinen Sinn, sich in Tagträumen zu verlieren, entschied Chu Wanning, als er zum zwölften Mal ausgepeitscht wurde. Sein Rücken brannte und die innere Schicht seines Kimonos fühlte sich an seiner aufgerissenen Haut feucht an. Es machte keinen Sinn zu träumen, sich nach etwas zu sehen oder etwas zu wollen.

Das Schicksal war grausam und der Einzige, der ihm helfen würde, war er selbst.

Ein Stammkunde und Gönner schien der beste Weg zu sein, aus dieser Situation heraus zu kommen.

Mit sechzehn nutzte Chu Wanning dann seine Chance, die sich ihm in Form eines chinesischen Kleiderhändlers bot – es war der reichste reguläre Kunde von Fumikoshi und er war recht früh zu seiner abendlichen Verabredung erschienen. Der Brauch wollte es, dass die Kunden in den Räumen, die zur Unterhaltung dienten, warten würden, bis die Großen Brüder mit ihren Gehilfen im Schlepptau zu ihnen kamen.

Während Fumikoshi sich von den Dienern ankleiden ließ – solche Dinge vertraute er Chu Wanning grundsätzlich nicht an – flitzte Chu Wanning in einem cremefarbenen Kimono mit einem sich über den Stoff schlängelndem Kirschblütenmuster, von dem ein Kunde mal gesagt hatte, er würde seine Phönixaugen schön betonen, zu dem entsprechenden Zimmer. Er atmete einmal tief durch und zupfte den Kimono in seinem Rücken etwas zurecht, sodass er tief genug saß, um seinen Nacken frei zu legen – genau wie es auch Fumikoshi und Nowaki bei ihren Kleidern machten.

Dann ließ er sich auf die Knie sinken und schob die Tür zur Seite.

Der Kunde sah ihn überrascht blinzelnd an. „Karauta? Du bist allein?“

Chu Wanning verneigte sich tief. „Ich wollt Euch sehen“, sagt er auf Mandarin.

Der Blick des Kunden wurde rasiermesserscharf. „Oh?“ Seine Augen wanderten Chu Wannings Körper hinab und sie verweilten an der Kurve seines Halses, wo er sich den Kimono zurück gezogen hatte. „Und warum?“

Weil ich Euch gerne als meinen Gönner und Stammkunden haben möchte“, sagte Chu Wanning.

Ein Herzschlag verstrich und dann warf der Kunde seinen Kopf zurück und lachte. „Ha ha, direkt und gleich zur Sache! Das mag ich viel mehr als all dieses dumme Um-den-heißen-Brei-herum-reden, wie es die Japaner machen!“ Er grinste. „Also gut. Du bist jetzt volljährig, oder? Warum wollen wir das nicht gleich in dieser Nacht klären?“

Chu Wanning runzelte die Stirn. „Heute Nacht? Aber mein Großer Bruder -“

Um den kümmere ich mich“, unterbrach ihn der Kunde. Er klopfte auf seinen Schoß und sein Mund bog sich zu einem Lächeln, bei der es Chu Wanning kalt den Rücken runter lief. „Komm her.“

Für einen Moment lang zögerte Chu Wanning. Alarmglocken schrillten in seinem Kopf, sie schrien ihn an: Geh, lauf, renn weg, bevor es zu spät ist! Doch sein Rücken brannte immer noch und diese Narben würden bleiben, und so beschloss Chu Wanning, das zu tun, was man von ihm verlangte.

In dieser Nacht erfuhr Chu Wanning zum ersten Mal, was es bedeutete, einen Kunden zu haben. Er erfuhr, was es hieß, gebrochen zu werden, alles an sich dem anderen zu überreichen, dem anderen zu dienen.

In dieser Nacht wurde Chu Wanning von der Madam befördert und gepriesen – trotz Fumikoshi’s schäumendem Gekeife der Raserei und Eifersucht.

Sakaki“ war der Name, auf den sie ihn taufte.

Der heilige Baum.

Es war das letzte Mal, dass sein Name geändert wurde.

Das letzte Mal, dass er das tun musste, was man von ihm verlangte.

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Wenn Nowaki nun der Oiran für die Niederländer war, so wurde Chu Wanning zum Oiran der Chinesen.

Innerhalb weniger Wochen stieg er in den Rängen auf – sehr zum Ärger aller anderen männlichen Kurtisanen um ihn her.

Kurtisanen.

Wie dumm von ihm, dass er das wahre Geschäft dieses Hauses nicht früher erkannt hatte. (Ran wurde es genannt. Nach den Orchideen und Kirschblüten: Erhaben und flüchtig vorüber eilend, genau wie seine Bewohner.) Aber noch einmal, wie sollte ein Waisenkind von sechs Jahren, eine Straßenratte ohne Freunde oder tiefer gehendes Wissen als das, zu dem man ihm Zugriff gewährt hatte, auch schon die Wahrheit herausfinden?

Aber Chu Wanning war ein harter Arbeiter, ein guter Zuhörer und er lernte schnell.

Er lernte, wie er seine roten Lippen um das Blatt seiner Pfeife legen musste, damit der Rauch in gräulichen Schwaden aus seinem einen Mundwinkel waberte und die Kurve seines Gesichts umschmeichelte. Wie man langsam ein und ausatmen musste und die Brust unter den schweren Kleiderschichten hob und senkte. Wie man den Hauch eines Lächelns zeigte und die Lidern senkte, um einen verlangenden Blick zu beschatten.

Aber er durfte nur einen Hauch davon zeigen, denn je kühler er sich gab, umso mehr Kunden begehrten ihn.

Das hatte etwas mit dem Nervenkitzel der Jagd zu tun, erklärte die Madam. Die Herausforderung, das Fieber, eine Beute zu fangen und sie dann unter sich fest halten zu können – bereit ihr die Kehle durchzuschneiden.

Da er nun zu den hochrangigsten Kurtisanen in Maruyama gehörte, konnte sich Chu Wanning seine Freier selbst aussuchen. Also gab er diesen Männern die Jagd, nach der sie sich sehnten, und er wies sie erst einmal ab – manchmal auch ein zweites Mal. Sein Ruf eilte ihm voraus – an eine Nacht mit Sakaki aus dem Hause Ran würde man sich noch lange erinnern – und so würden die Kaufleute weiter nach ihm fragen, immer wieder, bis er dann einem Abendessen zustimmte. Nur einem Abendessen. Trotzdem versuchten sie es weiter, sie warfen sich ihm vor die Füße, um seine Aufmerksamkeit und seine Anerkennung zu bekommen.

Genau das war auch der Grund, warum er keine Lehrlinge annahm – er hatte bei weitem genug Männer, um die er sich kümmern musste. Allerdings setzte das dem Andrang an Bittgesuchen kein Ende.

Besonders einer war ihm noch sehr lebhaft im Gedächtnis geblieben.

Es war geschehen, als er gerade auf dem Weg zum chinesischen Viertel war: Ein Junge hatte sich aus der Menge gelöst und er hob beide Hände hoch, die er zu einer Schüssel geformt hatte, um ihm eine Zierapfelblüte darin zu zeigen. Die pinken Blütenblätter hatten sich an den Spitzen leicht zusammen gerollt.

Schöner Herr“, sagt der Junge mit großen, weit aufgerissenen Augen, seine Wangen waren rundlich und mit Dreck beschmiert. „Kannst du mich als deinen Schüler aufnehmen?“

Chu Wanning hob die Hand, als ein Diener Anstalten machte, dazwischen zu gehen. Er neigte sich so weit hinunter, wie es sein Obi zuließ, und schenkte dem Jungen ein wehmütiges Lächeln. „Dies ist kein Leben für dich.“

Der Junge schüttelte den Kopf und reckte die Hand noch höher. „Ich verspreche, dass ich dich zum Lächeln bringen werde“, beharrte er. „Ein echtes Lächeln, nicht wie das gerade.“

Chu Wannings Herz zog sich in seiner Brust zusammen. War das so offensichtlich?

Er griff sich mit einer Hand in die Kleider und zog ein blaues Seidentaschentuch heraus, in dessen einer Ecke das Schriftzeichen der Orchidee – „Ran“ – gestickt worden war. Er wischte damit den Schmutz von den Wangen des Jungen und lächelte, als der Junge dabei ganz rot wurde. „Ich werde deine Blume annehmen“, sagte er, und hielt ihm das Taschentuch hin. „Im Tausch dafür kriegst du das. Und versprich mir, dass du dich für ein Leben entscheidest, das es wert ist, gelebt zu werden.“

Der Junge dachte mit gerunzelter Stirn darüber nach. Als er dann endlich zögerlich das Taschentuch entgegen nahm, steckte sich Chu Wanning die Blüte in seine frisierten Haare, gleich hinter dem Ohr.

Ich werde dich nicht vergessen“, sagte der Junge energisch, wobei er das Taschentuch fest in seinen Händen hielt.

Chu Wanning vergaß ihn auch nicht. Die Blume hatte er gepresst und sie sorgsam in einen Bilderrahmen platziert, der in seinen privaten Gemächern hing. Er wollte diese blauäugige Unschuld nicht vergessen, wo er die eigene doch an jenem Tag verloren hatte, als man ihn alleine auf der Straße zurück ließ.

Dennoch war Chu Wanning zum ersten Mal in seinem ganzen Leben zufrieden. Die Einsamkeit zehrte manchmal an seinen Eingeweiden und hielt ihn so manche Nacht lang wach. Aber er hatte ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch, und das war alles, worum er bitten konnte. Ein einfaches, ruhiges Leben.

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Als Jahre später der Mann, den sie Taxian-Jun nannten, bei ihnen auftauchte, war das der Beginn eines Sturms.

Er rauschte einfach in ein Abendessen zwischen Chu Wanning und einem Klienten herein. Er war ganz in Schwarz gekleidet und um seinen Mund spielte ein selbstgefälliges Grinsen. Wenn er den ersten Schock und die Wut über die Unterbrechung einmal beiseite schob, konnte Chu Wanning nicht anders, als seine schlanke Figur zu bewundern und die Art, wie sein Haar, das er rebellisch kurz trug, ihm in die dunkel glimmenden Augen fiel. Oder die Art, wie er über ihm aufragte, selbst dann noch als sich Chu Wanning zu voller Größe aufgerichtet hatte.

Chu Wannings Herz begann zu rasen, als sich Taxian-Jun so nah zu ihm lehnte, und er die Rufe und das Keuchen um sie her vollkommen ignorierte.

Sakaki aus dem Hause Ran“, schnurrte Taxian-Jun in ihrer Muttersprache. „Du gehörst mir.“

Chu Wanning hob sein Kinn. „Ich kenne dich nicht.“

Das wirst du schon noch“, sagte Taxian-Jun und ging.

Seine Stiefel hinterließen schlammige Fußabdrücke auf den Matten.

Die Madam zitterte vor Aufregung, als Chu Wanning sie über diesen Mann ausfragt. „Taxian-Jun ist einer der jüngsten und wohlhabendsten chinesischen Kaufmänner in Nagasaki! Ihm gehören Plantagen im ganz Südostasien – Zuckerplantagen. Wir haben ihm unsere Kurtisanen nun schon seit Jahren angeboten, selbst Nowaki.“

Und er hat keine von ihnen genommen?“

Keine einzige und keinen einzigen.“ Sie strahlte. „Bis jetzt.“

Chu Wanning hob die Hände, um sich die Schläfen zu massieren. „Er hat ein Abendessen unterbrochen, hat Dreck über die ganzen Matten geschmiert und einen Besitzanspruch an mir verkündet, ohne den normalen Weg zu gehen.“

Ich sehe keinen Grund, deswegen nein zu sagen“, sagte die Madam.

Du verabscheust sonst jeden Kaufmann, er versucht, mich ohne deine Einwilligung zu treffen“, warf Chu Wanning ein.

Keiner von denen war Taxian-Jun“, sagt sie schlicht.

Chu Wannings Kopfschmerzen wurden stärker.

Trotz ihrer Ermutigungen wies er Taxian-Juns erste Frage nach einem Treffen zurück.

Und auch die nächste.

Und auch die, die danach kam.

Madam klagte über Chu Wannings Dummheit, als die Nachfragen nach dem sechsten vergeblichen Versuch schließlich abbrachen.

Bis Taxian-Jun dann höchstpersönlich einen Fuß in das Viertel Maruyama und ins Bordell Ran setzte. Chu Wanning fühlte sein Eindringen noch bevor er ihn in der Tür seines privaten Gemachs stehen sah. Taxian-Jun hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt – er wirkte wie der Donnerschlag vor dem Monsun.

Schuhe ausziehen“, fauchte Chu Wanning auf Mandarin, ehe Taxian-Jun noch einmal auf seine Matten treten konnte.

Taxian-Jun hob einen Fuß. „Nimm sie mir doch ab.“

Ich bin nicht dein Diener“, sagte Chu Wanning kühl.

Das ist wahr.“ Taxian-Jun lachte, es waren eher drei Schnauber der Belustigung. „Kein Diener würde es wagen, mich ganze sechs Mal abzuweisen.“ Er beugte sich hinunter, zog endlich die Schuhe aus und betrat dann Chu Wannings Zimmer, wobei er den Raum mit halb geschlossenen Augen auf sich wirken ließ.

Es war anders als das Zimmer von Fumikoshi – Chu Wanning mochte es schlicht und minimalistisch. Geschenke, die er von seinen Klienten bekam, spendete er an Menschen, die sie brauchten, wohingegen sein eigenes Zimmer kaum mehr enthielt als eine einfache Matratze und Bettzeug (was er beides jeden Morgen im Schrank verstaute), eine Frisierkommode, einen Schreibtisch und einen Stapel Sitzkissen in einer Ecke.

Das einzige Geschenk, das er behalten hatte, war das des kleinen Jungen, der ihn einst gebeten hatte, sein Schüler werden zu dürfen.

Taxian-Juns Blick blieb genau daran kleben, seine Aufmerksamkeit wurde ganz von der getrockneten Blume an der Wand gefesselt.

Sehr spartanisch“, brummte er nach einer Weile. „Wirklich unerwartet bei einer Hure von deinem Rang.“

Chu Wanning wurde wütend, er wehrte sich: „Geh.“

Ein Aufblitzen weißer Zähne und Taxian-Jun schritt nach vorn, er schloss langsam den Spalt zwischen ihnen, wobei er sich offenbar besonders viel Zeit ließ.

Chu Wanning hätte selber gehen können, er hätte die Diener rufen können. Er war sich der Blöße seines Untergewandes aus Marienseide sehr wohl bewusst, ebenso wie er auch die Hitze spüren konnte, die von Taxian-Juns Körper ausging, als dieser sich nun nach vorne lehnte, bis sie sich Nase an Nase gegenüber standen. Aber nein, Chu Wanning blieb standhaft, er funkelte in diese zwei schwarzen, abgründigen Pupillen, die drohten, seine Seele im Ganzen zu verschlingen.

So leicht würde er nicht klein-bei geben.

Ich könnte dich jetzt gleich hier nehmen“, sagte Taxian-Jun. Es war ein leiser Singsang, sanft und tief, als wollte er ihn damit streicheln. „Ich könnt dich auf deinen so wertvollen Matten ficken und dich dazu bringen, dass du gleich auf ihnen kommst.“

Chu Wanning musste schluckten, sein Kehlkopf sprang auf und nieder. Taxian-Juns Blick sank etwas tiefer, als er diese kleinen Bewegung sah.

Das würde die Madam nicht gestatten.“

Die Madam selbst hat mir den Weg zu deinem Zimmer beschrieben, sobald ich nur deinen Namen genannt habe.“

Chu Wannings Herz sank zu Boden, er schloss die Augen.

So leicht konnte er nicht klein-bei geben.

Er selbst war der Einzige, der ihm helfen würde.

Sakaki“, sagte Taxian-Jun plötzlich. Chu Wanning öffnete die Augen und sah, wie Taxian-Jun ihn mit der Schärfe und der Begierde eines Hais anlächelte, der gerade seine Beute umschwamm. „Was für in ekelhafter, japanischer Name.“

Er lag nicht falsch. Der Name hatte seine Wurzeln im Shintoismus – eine Religion, die in Japan, dem Land der aufgehenden Sonne, gegründet wurde. Und Chu Wanning wusste, dass genau dies auch der Grund war, warum die Madam ihm diesen Namen gegeben hatte: Jedes Mal, wenn man seinen Namen rief, ihn keuchte und ihn an seinem Körper stöhnte, war das eine Erinnerung: Nun bist du einer von uns.

Meinen Kunden gefällt er“, sagte Chu Wanning durch seine zusammengepressten Zähne hindurch.

Deine Freier würden von allem behaupten, dass es ihnen gefällt, solange sie dich nur schön weiter ficken können“, schnaubte Taxian-Jun.

Keiner meiner Kunden ist bis jetzt einfach so unangemeldet in meine privaten Gemächer gekommen.“

Keiner deiner Kunden hätte dafür die Eier.“

Ehe Chu Wanning etwas erwidern konnte, streckte Taxian-Jun die Hand aus. Er ignorierte es, wie Chu Wannings dabei zusammen zuckte, und er fuhr mit seinen Fingern erstaunlich sanft an Chu Wannings Wange entlang.

Wie heißt du wirklich?“

Chu Wanning starrt Taxian-Jun an. Er starrte auf das fransige dunkle Haar, das über die kantigen Züge fiel, auf die gefährliche Kurve seiner Lippen, auf die kleinen Grübchen in den Mundwinkeln. Er starrte ihn an und sein Herz schlug wild und er musste wegsehen, als ihn nun eine Welle der Gefühle überkam.

Niemand hatte ihm je diese Frage gestellt.

Niemand hatte sich je darum gekümmert.

Doch Taxian-Jun interpretierte seine Reaktion als Trotz und Widerstand. Seine langen Finger krümmten sich wie Krallen, ehe er sie zurück zog. „Schön, behalte deine kleinen Geheimnisse für dich. Du wirst ihn sowieso für mich schreien, wenn ich erst einmal mit dir fertig bin. Madam!“, bellte er nun auf Japanisch und mit starkem Akzent.

In Sekundenbruchteilen flitzte die Madam die Treppe hoch und neigte den Kopf zu einer tiefen Verbeugung. „Mein Herr Taxian-Jun.“

Ich möchte Sakaki kaufen.“

Oh!“ Die Madam keuchte.

Nein!“, rief Chu Wanning zornig.

Taxian-Jun lachte.

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Den Rest der Nacht verbrachten sie mit Verhandlungen. Oder besser gesagt weigerte sich Chu Wanning eisern, sich verkaufen zu lassen, während die Madam sanft auf ihn einredete und versuchte ihn rum zu kriegen, da Taxian-Juns Angebote sich in immer weitere Höhen schraubten. Als Taxian-Jun eine Summe nannte, die die Kosten und Ausgaben, die Chu Wanning dem Bordell noch schuldete, um ein Dreifaches übertraf, sah die Madam aus, als würde sie aus purer Freude gleich in Ohnmacht fallen.

Chu Wanning warf seine letzte Trumpfkarte in den Ring.

Ich bin eine der höchsten Einnahmequellen des Rans, nur Nowaki verdient noch mehr. Es ist für die Madam nur von Vorteil, wenn sie mich behält.“

Zu seiner großen Erleichterung wankte die Madam bei diesen Worten. „Das stimmt. Sakaki bringt dem Ran großen Gewinn.“

Doch Taxian-Jun lachte nur, herzlicher als die ganze Zeit davor. „Wie viel verdient er jeden Monat?“

Die Madam nannte ihn die Zahl.

Ich zahle Euch das Doppelte als monatliche Abgabe für das Ran.“

Die Augen der Madam wurden so riesig wie Kupfermünzen.

Chu Wannings Hände ballten sich auf seinen Knien zu Fäusten. Das war’s dann also. Nachdem er sich mühsam seinen Weg zu einem einfachen und stillen Leben nach oben gekämpft hatte, würde er nun zum glänzenden, neuen Spielzeug irgendeines reichen Bastards werden, bis man ihn kaputt geschlagen hatte oder etwas Glänzenderes seinen Platz einnahm.

Das Schicksal spielte mit gezinkten Karten.

Aber er würde nicht zusammenbrechen, das konnte er nicht. Noch nicht.

Er packte seine getrocknete Blume mit einem Stapel Wechselklamotten ein.

Am nächsten Tag trat er zum ersten Mal ungeschminkt aus dem Hause Ran. Das Haar hatte er sich zu einem einfachen, hohen Pferdeschwanz zurück gebunden, er hob eine Hand, um seine Augen vor dem Sonnenlicht abzuschirmen. Ein Diener eilte herbei, um sogleich einen roten Sonnenschirm über ihn aufzuspannen, während Taxian-Jun an der Seite einer leuchtend roten Sänfte stand, von deren Dach goldgelben Quasten und purpurrote Seidenschärpen hingen, die an den Enden zu kleinen Bällen verknotet waren.

Dies war eine chinesische Hochzeitssänfte.

Die Hitze stieg Chu Wanning ins Gesicht. Aber er nährte sich ohne ein Wort der Sänfte und Taxian-Jun bot ihm mit nach oben gereckter Handfläche seine Hilfe an.

So viel bin ich nicht wert“, sagte ihm Chu Wanning.

Du wirst meiner bald überdrüssig sein und mich dann zurück auf die Straße werfen, von der ich gekommen bin. Das sagte er nicht.

Wir werden sehen“, sagte Taxian-Jun, seine Lippen bogen sich an der einen Seite nach oben.

Seine Arroganz war eigenartig beruhigend.

Chu Wanning legte eine Hand in Taxian-Juns und betrat die Sänfte. Er hob den Vorhang, um noch ein letztes Mal auf das Ran zu blicken. Er sah die Madam am Eingang stehen. Sie hatte sich in einem 90°-Winkel nach vorne geneigt und verharrte selbst dann noch in dieser Verbeugung, als sich die Sänftenträger in Bewegung setzten.

Du bist gerade in einer Lage, für die jede Kurtisane sterben würde“, hatte sie gesagt, während sie ihm mit dem feinen Kamm durch sein Haar gestrichen hatte. „Also solltest du lieber aufhören zu schmollen, ehe Fumikoshi noch deinen Tee vergiftet.“

Chu Wanning hatte geseufzt: „Muss ich denn alles tun, was er von mir verlangt?“

Natürlich. Du gehörst jetzt ihm.“

Mit geschlossenen Augen hatte Chu Wanning einmal tief in seinen Bauch geatmet, um sich zu sammeln. „Danke“, hatte er gesagt. „Für alles.“

Der Kamm in seinem Haar war kurz zum Stillstand gekommen, ehe er sich dann wieder in Bewegung setzte. „Du bist mein größter Stolz, Sakaki. Vergiss das nie.“

Mit einem sehr engen Gefühl in der Brust, dreht sich Chu Wanning weg und ließ den Vorhang wieder an seinen angestammten Platz zurück fallen.

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Das chinesische Viertel umfasste ein riesiges Gelände, das von hohen Mauern und fünf Wachhäusern umgeben war. Hier waren keine Frauen erlaubt, einmal abgesehen von den weiblichen Kurtisanen aus Maruyama. Daher bildete sich sofort eine Menschentraube beim Anblick der rot-gelben Sänfte, man deutete darauf und tuschelte. An den Toren hob Chu Wanning den Vorhang an und sah, wie ein chinesischer Wachmann aus seinem Häuschen nach vorne hastete, um Taxian-Jun zu begrüßen, der über den kleinen Mann geradezu aufragte – groß und unheilvoll.

Taxian-Jun, Sir, wie Ihr wisst, sind Frauen in diesem Viertel hier verboten, was auch bedeutet -“

Mein Braut ist ein Mann“, verkündete Taxian-Jun.

Das Geflüster kam augenblicklich zum Erliegen.

In dieser drückenden Stille schrumpfte Chu Wanning in seinem Sitz zusammen, und er zog sich so weit von dem Fenster zurück wie nur möglich. Es war durchaus üblich, dass Männer ihr Vergnügen auch in anderen Männern suchten – vielleicht sogar die Liebe – aber es war schmerzlich unüblich, dass ein Mann das in aller Öffentlichkeit und ohne auch nur den kleinsten Anflug an Scham verkündete.

Oh“, sagte die Wache verwirrt. „Aber… nun ja… Familien sind hier auch nicht gestattet…“

Dann nennen wir ihn doch einfach meinen Liebhaber“, sagte Taxian-Jun in einem Tonfall, der sagte, dass die Diskussion damit beendet sei.

Die Wache drehte sich zu ihrem Kollegen in dem Wachhäuschen herum, der nur hilflos die Schultern zuckte.

Also gut, Sir. Wenn ich dann nur noch kurz einen Blick auf … ähm, Ihren Liebhaber werfen dürfte -“

Das darfst du nicht“, sagte Taxian-Jun.

Die Wache blinzelte ihn mit offenem Mund an. „Sir?“

Ich sagte“, meinte Taxian-Jun nun mit deutlich tieferer Stimme, „das darfst du nicht.“

Aber ich muss sicher gehen, dass er wirklich ein Mann ist.“

Niemand außer mir darf ein Auge auf ihn werfen.“

Sicher werden aber Eure Diener -“

Taxian-Jun stieß ein Kichern aus, in dem keinerlei Freude lag. „Jeden Idioten, der es wagt, den Kopf in Anwesenheit meines Liebhabers zu heben, werde ich höchstpersönlich die Augen mit Eisenzangen aus dem Schädel reißen.“

Der Wachmann schluckte, laut genug, dass es alle hören konnten. Dann verbeugte er sich und tippelte rückwärts davon.

Willkommen zu Hause, Taxian-Jun, Sir.“

Chu Wanning hörte, wie sich die Tore knarrend öffneten und mit einem leichten Ruck setzte sich die Sänfte wieder in Bewegung.

An Taxian-Juns Grausamkeit musste durchaus etwas Wahres dran sein, wenn die Wache so schnell nachgab.

Sein Leben im Hause Ran war zumindest vorhersehbar gewesen – auf Taxian-Jun traf das nicht im mindesten zu.

Von dieser Rücksichtslosigkeit war keine Spur mehr zu sehen, als er Chu Wanning erneut die Hand anbot, als dieser aus der Sänfte trat. Nun war da nur noch Stolz und ein Hauch an Selbstgefälligkeit, als sich Chu Wannings Augen angesichts der schieren Größe des Anwesens weiteten, das ein wenig abgesondert von den zweistöckigen Langhäusern stand, in denen die meisten der Chinesisch-Stämmigen wohnten. Das Anwesen von Taxian-Jun war so groß wie das des Rans inklusive allen zugehörigen Teehäuschen, die gerne genutzt wurden, um die Kunden zu unterhalten. Vielleicht sogar noch größer.

Bei mir wird es dir an nichts fehlen“, sagte Taxian-Jun mit einem Grinsen und Chu Wanning glaubte ihm.

Zumindest würde das so lange der Fall sein, bis sich sein Interesse auf jemand anderen richtete.

Mit gesenkten Köpfen führten die Diener Chu Wanning zu seinem Gemach, was sehr geräumig, aber in der Gestaltung recht schlicht war. Überraschend schlicht, wenn man all den Luxus und die prahlerische Verschwendungssucht jedes Zimmers bedachte, an dem sie bisher vorbei gekommen waren. Als er seine Habseligkeiten ablegte, fiel ihm das schlichte Bett auf, die Frisierkommode, der Schreibtisch, die Sitzkissen…

Chu Wannings Herz machte einen Hüpfer, als ihn die Erkenntnis mit der Wucht traf, als hätte man ihm gerade ein Faustschlag in den Magen verpasst.

Dieses Zimmer war ein exaktes Ebenbild seines ehemaligen Schlafquartiers im Ran. Bis zum Material und der Farbe der Möbel hin!

Nun?“

Taxian-Juns Atem traf ihm heiß an seinem Ohr, seine großen Hände legten sich um seine Hüfte.

Chu Wanning wurde rot.

Danke“, sagte er. „Jetzt wird meine Blume nicht so fehl am Platz wirken.“

Etwas huschte über Taxian-Juns Gesicht. Es war zu schnell wieder verschwunden, um es benennen zu können, und dann drehte er Chu Wanning auch schon mit seinen groben Händen herum.

Was – mmf!“

Taxian-Jun küsste ihn, als würde gerade die Welt zerbrechen und als könnte es nur noch sie beide geben – sie beide und ihr rauer Atem in der Luft zwischen ihnen. Er saugt an Chu Wannings Zunge, zupfte mit seinen Zähnen an seiner Unterlippe. Er schmeckte nach scharfen Gewürzen und Rauch. Es war eine feurige Mischung, die die glimmende Glut von Chu Wannings Begierde entfachte und seine Eingeweide schmelzen ließ.

Als sich Taxian-Jun löste, atmete er sehr schwer, seine Schultern dehnten sich, als er sich nach vorne drückte und seine Nase in der Kuhle von Chu Wannings Hals versenkte.

Ich will dich“, murmelte er. „Ich will dich so sehr. Wollte dich schon so lange.“

Chu Wanning atmete aus und er fuhr mit seiner Hand durch die dunklen Strähnen; sie fühlten sich an seinen Fingern weich und seidig an. Er wusste nicht, was Taxian-Jun da sagte, doch er konnte die Trauer darin hören, den Schmerz. Es war so anders als seine sonstige Arroganz, dass Chu Wannings Gegenwehr bröckelte und er verspürte das Bedürfnis, ihn zu trösten.

Jetzt hast du mich“, sagt er sanft.

Ein Schauder lief durch Taxian-Juns Körper, ehe er den Kopf hob und seinen Mund erneut an den von Chu Wanning krachen ließ, heiß und verzweifelt. Seine Hände packten Chu Wanning, sie krallten sich in ihn, als bestünde er aus Sand, der Taxian-Jun durch die Finger rann.

Sie stolperten zu dem Bett hinüber. Chu Wanning hob die Hand, um an dem Band zu ziehen, was seine Haare oben hielt, und die dunklen Strähnen ergossen sich über seinen Rücken, glitten ihm über das Schlüsselbein. Als sie fielen, prallte Chu Wanning mit einem Keuchen auf den Laken auf. Taxian-Juns Mund bewegte sich beißend eine Linie an seinem Hals hinauf, er saugte ihm Knutschflecke auf die Haut.

Im Hause Ran hätte Chu Wannings einen solchen Kunden jetzt zurück geschoben – vielen hatte es nicht gefallen, wenn er sie daran erinnern musste, dass sein Körper ein geteiltes Gut war und sie ihn nur gemietet hatten.

Aber hier gehörte er Taxian-Jun – und nur ihm allein.

Und so strich er mit seiner Hand zärtlich über Taxian-Juns breite Schultern und er legte den Kopf zurück, um Taxian-Jun besseren Zugang zu seinem Hals zu gewähren. Er schwelgte in dem Genuss, der nach jedem kurzen, schmerzhaften Stechen folgte, als Taxian-Jun jedes sich dunkel färbende Mal mit seiner Zunge liebkoste.

Ein Ruck an seinem Gürtel und sein Kimono glitt auf und offenbarte eben jenes Untergewand aus Marienseide, das er auch getragen hatte, als Taxian-Jun in sein privates Quartier geplatzt war. Taxian-Jun hielt inne, seine Augen brannten heiß, als er sie nun Chu Wannings Körper hinunter wandern ließ, als würde er jede Kuhle und Kurve unter der halbdurchsichtigen Kleiderschicht huldigen. Dann huschte sein Blick wieder hinauf, um den von Chu Wanning zu begegnen, und er zog die letzte Stoffschicht mit bedächtigen Fingern von ihm herunter. Langsam, absichtlich langsam senkt er nun seinen Kopf und legte seinen Mund um eine blasse Brustwarze, und dann um die andere.

Chu Wanning beobachtete Taxian-Jun, wie der seine Reaktionen beobachtete. Chu Wannings Lippen öffneten sich, er stöhnte leise, in seiner Brust stotterte sein rauer Atem, und sein Penis zuckte und bettelte um weitere Berührungen. Er wusste, dass Taxian-Jun das an seinem Oberschenkel fühlen konnte, er sah das freche, anerkennende Grinsen auf diesem talentierten Mund, aber Taxian-Jun half ihm nicht. Das würde er wohl noch eine Weile lang nicht tun, wenn man bedachte, wie er gerade all seine Aufmerksamkeit auf Chu Wannings sich verhärtende Nippel richtete.

Das war das längste Vorspiel, das Chu Wanning je erlebt hatte. Wenn seine Klienten ihn erst einmal so weit gehabt hatten, waren viele von ihnen so begierig gewesen, dass sie, kaum waren sie erst einmal beim Bett angelangt, ihm einfach nur noch die Kleider nach oben zerrten und gleich in ihn hinein stießenohne jede Zurückhaltung.

Natürlich hatte es weh getan. Aber Chu Wanning war sich nicht sicher, ob das hier jetzt so viel besser war, wo man seinen Hintern verschmähte und sein Penis schmerzhaft zwischen seinen Beinen pochte.

Taxian-Jun“, begann er und das Blut rauschte ihm in die Ohren beim Gedanken daran, was er jetzt gleich sagen würde. „Taxian-Jun, ich -“

Mo Ran.“

Chu Wanning blinzelte und sah ihn verwirrt an.

Taxian-Jun sah ihn ebenfalls an und in seinem Blick lag eine Zärtlichkeit, bei der sich Chu Wannings Brust verengte.

Mo Ran. Mein Geburtsname, bevor ich ihn geändert habe.“

Chu Wanning nickte und hob sich seine Fragen für später auf – für viel später. Taxian-Jun bewegt sich nicht, sein Blick war immer noch ruhig und erwartungsvoll. Wartend.

Chu Wanning holte einmal zittrig Luft. Es war eindeutig, worauf Taxian-Jun wartete. Also zog Chu Wanning ihn noch näher zu sich und er presste seine Lippen an Taxian-Juns Ohrmuschel.

Mo Ran“, hauchte er.

Wieder war da ein Wandel in seinem Gesicht, eine plötzliche Bewegung, und dann war Taxian-Juns Mund auch schon um seinen Penis, so heiß und eng und nass und Chu Wannings Rücken drückte sich auf den Laken durch.

Es war schwer, in dieser Lage zu denken, es war schwer zu atmen, wo er doch fühlen konnte, wie sich Taxian-Juns Zunge die Länge seines Schwanzes empor schob und seine Lippen sich nach unten bewegten bis zum Fuße seines Schaftes. Wo er sehen konnte, wie sich Taxian-Juns Kopf in seinem Unterleib auf und ab bewegte, ihm das Haar in die dunklen Augen fiel, die immer noch mit gesenkten Lidern zu ihm aufsahen.

Mo Ran“, keuchte Chu Wanning noch einmal und Taxian-Jun gab tief hinten in seiner Kehle ein Stöhnen von sich und die Schwingungen liefen durch Chu Wannings Körper, bis zu seinen Zehen hinunter. Es schien eine Bedeutung in seinem Namen zu liegen – oder aber eine Bedeutung, wenn er ihn aus Chu Wannings Mund hörte – die ihn nur noch mehr anspornte, und so sagte Chu Wanning ihn wieder und wieder und wieder, als wäre er ein Gebetsgesang.

Taxian-Juns Finger gruben sich in seinen Oberschenkel und die Röte in seinen Wangen kroch nun auch über seinen Hals, über seine Brust.

Er sah vollkommen gebrochen aus – da war nichts mehr von dem Mann, der Chu Wanning schamlos als seine Braut vorgestellt hatte.

Tief in seinem Inneren begannen sich Chu Wannings Eingeweide zu schlängeln, das Behagen erhob sich in seiner Brust, bereit jeden Moment hervor zu brechen.

Mo Ran, i-ich werde -“

Mo Ran schluckte alles von ihm hinunter.

Chu Wanning kam schaudernd und die Augen rollten in seinen Hinterkopf hinein.

Sein Herz kämpfte immer noch darum, sich wieder zu beruhigen, als Taxian-Jun sich nach oben drückte, um ihn zu küssen, wobei der Geschmack des eigenen salzig-bitteren Körpersaftes noch immer auf seiner Zunge lag. Doch diesmal war der Kuss sanft, träge und langsam und Chu Wanning konnte nicht anders, als ihn zu erwidern und sich seufzend in ihn sinken zu lassen.

Taxian-Jun summte zufrieden. Und als hätte man einen Schalter umgelegt, kehrte seine Aura an selbstgefälliger Zuversicht zehnmal verstärkt zurück.

Ich bin dran.“

Starke Hände umfassten seine Hüften und drehten ihn herum. Chu Wanning schrie klagend auf, seine Hände krallten sich in die Laken, als Taxian-Jun seinen Mund zwischen seinen Schulterblätter presste.

Er konnte Taxian-Juns Lachen mehr fühlen als hören – es war ein leichter Lufthauch an seiner Haut. „Hast wohl eine Schwäche für meinen Mund, was?“

Chu Wanning schüttelte seinen Kopf, oder zumindest versuche er es, aber Taxian-Jun leckte einen nassen Pfad seine Wirbelsäule hinab, seine Zunge lag flach auf seiner Haut, die Zähne schabten über sie, und Chu Wanning verlor sich in diesem Gefühl – es war überwältigend!

Sieh nur, du bist schon wieder hart.“ Taxian-Juns Finger legte sich um seinen geschwollenen Penis, und ein absolut beschämender Ton entwich Chu Wannings Lippen. „Aber diesmal darfst du nicht kommen.“ Taxian-Juns Stimme wurde rau, als sein Mund sich an Chu Wannings Schulter drückte, während sein Daumen neckend über den Kopf seines Penis’ strich, wo sich schon wieder erste Lusttropfen sammelten. „Nicht, bevor ich es erlaube.“

Es war zu viel – die Art, wie Taxian-Jun plötzlich einfach überall war; er das Einzige war, worauf sich Chu Wanning noch konzentrieren konnte.

Mo Ran, hör auf“, wimmerte er – ein Flehen nach einer kurzen Atempause. Die Hände auf ihm zitterten, Sekunden nur bevor seine Hüfte dann noch oben gezerrt wurde und sich Taxian-Juns Becken von hinten an ihn wiegte. Und da fühlte Chu Wanning es zum ersten Mal: Taxian-Juns harten Schwanz gleich da an der Kurve seines eigenen Hinterns.

Er war hart, dick und so unmöglich groß.

Reflexartig zog sich sein Po zusammen, er verkrampfte sich, als Taxian-Juns Knie sich in die Lücke seiner Oberschenkel drückten und sie spreizten. Einmal hatte ihn ein sehr ungeduldiger Kunde unvorbereitet genommen. Er erinnerte sich noch viel zu deutlich an den plötzlichen Schmerz, an das Gefühl, als würde etwas in ihm reißen. Diese Erfahrung hatte Chu Wanning abgeschreckt und er hatte seit dem immer Fläschchen mit Öl und heilenden Salben in seiner Reichweite aufbewahrt und sich manchmal vor seinen Verabredungen unten gedehnt – sozusagen als Teil seiner allabendlichen Routine.

Mit Taxian-Jun hatte er diese Möglichkeit nun nicht.

Der presste sich nun flach auf Chu Wannings Rücken und schnurrte: „Die ganze Zeit sagst du meinen Namen, und doch kenne ich den deinen nicht.“

Chu Wanning schloss die Lider, die Wimpern streiften seine Wangen. Niemand kannte ihn; seit er vier Jahren alt gewesen war, kannte ihn keiner. Morokoshi, Karauta, Sakaki – alles Namen für ihn, doch niemals wirklich er. Nur Teile von ihm, die sich anpassen konnten, um zu überleben. Um irgendwo hinzugehören und am Ende etwas wert zu sein.

Chu Wanning“, murmelte er. „Mein Name ist Chu Wanning.“

Taxian-Jun atmete einmal tief aus und der Luftzug prickelte an seinem Nacken. „Wanning“, sagte er und plötzlich verstand er es. Chu Wanning verstand, warum Taxian-Jun so heftig darauf reagierte, wenn man seinen Namen nannte. Er meinte, dass er in Stücke fallen würde, als Taxian-Jun ihn nun so aussprach, mit einer so sanften und ehrfürchtigen Stimme. Als wäre er ein seltener Edelstein, der jedes Opfer wert sei.

Bitte“, sagte Chu Wanning, bevor er sich selbst davon abhalten konnte. „Bitte…“ Er wusste noch nicht einmal, was er sagen wollte; wusste nicht, um was er ihn da wirklich bat. Alles, was er wusste, war, dass er ihn wollte, dass er nun wirklich zum ersten Mal in seinem ganzen Leben einen Menschen begehrte.

Er wimmerte klagend als Taxian-Jun sich zurück zog.

Das war es eindeutig nicht, was er sich wünschte.

Chu Wanning wollte wieder nach Taxian-Jun rufen, wollte ihn bitten, zurück zu kommen und wieder seinen Mund auf ihn zu legen – auf ihn, in ihn, wo immer er auch wollte – als Taxian-Jun auch schon wieder da war, seine Hände lagen glitschig auf seinen Hüften und sein Penis glitt zwischen seine Oberschenkel –

Fuck, du fühlst dich so gut an.“

Chu Wanning stöhnte, als sich der Kopf von Taxian-Juns Schwanz an seinen eigenen Hodensack schmiegte. Er bog die Hüften zurück, um einen besseren Winkel zu bekommen und Taxian-Jun fluchte erneut, sein Griff verstärkte sich.

Sie hielten einen Atemzug lang inne und dann wiegte sich Taxian-Jun nach vorn, seine Hüfte rollte vorwärts und, oh, der glitschig-nasse und dicke Kopf zwischen seinen Beinen fühlte sich an, als wollte er ihn necken. Doch die Erkenntnis, dass Taxian-Jun sich vorher eingerieben hatte – dass er nicht das Monster war, für das er ihn anfangs gehalten hatte – ließ ein unnennbares Gefühl in Chu Wannings Brust aufflammen. Ein Gefühl, das ihn dazu trieb, seine Oberschenkel um Taxian-Juns noch fester zusammen zu drücken und sanft gegen die Laken zu stöhnen.

Wanning“, sagt Taxian-Jun und er stieß vor und Chu Wanning bebte unter ihm. „Wanning, komm für mich.“

Es war ein Befehl und kaum hatte er ihn erteilt, schlangen sich auch schon lange Finger um Chu Wannings Penis.

Und Chu Wanning konnte nicht anders als zu gehorchen. Es schüttelte ihn, als Taxian-Jun zusammen mit ihm kam und seine Oberschenkel mit weißem, heißen Sperma verzierte.

Benebelt fühlte Chu Wanning noch unterschwellig, wie Taxian-Jun ihn auf das Bettzeug legte, sein Griff war sanft. Er fühlte, wie Taxian-Juns Körper sich um ihn legte, er feuchte Küsse an die Seite seines Gesichts drückte, an seinen Hals, seine Schultern.

Du bist mein“, seufzte Taxian-Jun.

Chu Wannings Herz setzte kurz aus.

So fest umschlungen schliefen sie beide ein, bis ein Diener mit ängstlicher Stimme bei der Tür fragte, ob der Meister und sein Gast wohl gerne zu Abend essen würden.

Viel zu spät erkannte Chu Wanning, dass sich die Tür geöffnet hatte.

_____________________________

Taxian-Jun war so gut wie jeden Tag die meiste Zeit über unterwegs.

Chu Wanning fand ganz Regale voll japanischer Texte im Studierzimmer und er verbrachte seine Zeit damit, sie am Fenster durchzusehen. Gleich draußen, direkt vor dem Fenster stand ein Zierapfel, dessen Knospen sich bald öffnen würden. Als er noch im Hause Ran gewohnt hatte, waren die Jahreszeiten gekommen und wieder vergangen; ein ewiger Fluss der Zeit, der niemals stehen geblieben war. Doch nun konnte er den Baum betrachten und er konnte den zarten Schatten an blassem Pink bewundern, der die dunklen Zweige besprenkelte. Nun konnte er tief durchatmen und den süßen Duft des herannahenden Frühlings genießen.

Die Diener kümmerten sich gut um ihn, die Augen immer schön zu Boden gerichtet. Sie brachten ihm sein Essen und boten ihm für Zwischendurch kleine Platten mit süßen Snacks an. Sie bereiteten seidene Kleider vor, die er tragen konnte, und brachten ihm sogar ein Koto, auf dem er spielen konnte, wenn ihm langweilig war. Doch an diesem Tag juckte es Chu Wanning in den Fingerspitzen, etwas zu schreiben – die Verse der klassischen Gedichte sprudelten in seinem Kopf geradezu über, als er aus dem Fenster blickte, und so bat er um Pinsel, Tusche und Papier und die Diener eilten davon, um seiner Bitte nachzukommen.

Und so fand ihn dann später auch Taxian-Jun, mit gesenktem Kopf und einer ruhigen Hand, die den Pinsel über das Papier führte.

Wanning.“

Chu Wanning hielt in der Bewegung inne, als sich Taxian-Jun gegen ihn drückte und er sein Kinn in einer zärtlich-intimen Geste auf Chu Wannings Schulter ablegte. Chu Wanning hatte sich an dieses immer recht plötzliche Eindringen in seinen Toleranzbereich bereits gewöhnt, ebenso wie daran, dass er immer von Wärme umschlungen wurde, sobald Taxian-Jun zurück gekehrt war. So als ob Taxian-Jun den ganzen Tag lang über diesen Moment nachgedacht und auf ihn gewartet hatte, bis er nicht mehr fähig war, noch länger von ihm weg zu bleiben.

Du bist zurück“, sagte Chu Wanning.

Du hast noch nicht mal bemerkt, wie ich den Raum betreten habe“, grummelte Taxian-Jun und Chu Wanning Lippen umspielte ein kleines Lächeln. Neben dem prahlerischen Benehmen und der endlosen Hybris hatte Taxian-Jun auch eine gewisse kindliche Note an sich, die er inzwischen sehr lieb gewonnen hatte.

Ich habe mich konzentriert“, erklärte ihm Chu Wanning.

Auf was?“

Auf dieses Gedicht von Matsuo Basho.“ Chu Wanning legte den Pinsel ab und glättete das Papier. Es war immer noch leicht feucht und die Schriftzeichen glänzten. Er hatte es in einer sauberen und eleganten Kursivschrift verfasst.

So flüchtig -
ist der Schimmer der Blüten in den
Wipfeln
einer mondhellen Nacht.“

Taxian-Jun schnaubte. „Kenn’ ihn nicht, kümmert’ mich nicht.“ Er schmiegte seine Nase an die Seite von Chu Wannings Hals und ließ dort einen Kuss fallen. „Wenn du schon schreiben willst, schreib etwas, das ein bisschen interessanter ist.“

Chu Wanning seufzte und es lag eine Spur an Missmut in diesem Atemzug. „Zum Beispiel?“

Deinen Namen.“

Verwirrte drehte sich Chu Wanning um. „Was?“

Taxian-Juns Mund bog sich zu einem Grinsen. „Ich möchte sehen, aus welchen Schriftzeichen er sich zusammen setzt.“

Chu Wanning versuchte, den Witz darin zu finden, er suchte nach dem spielerischen Glimmen in Taxian-Juns Augen. Als er keins von beiden finden konnte, nahm er wortlos den Pinsel auf, tunkte ihn in die Tusche und ließ ihn mit einem Wink aus dem Handgelenk über die Seite laufen. Es war schon eine Weile her, seit er den eigenen Namen geschrieben hatte, daher zögerte er ein bisschen bei dem einen Schriftzeichen und bei dem anderen vergaß er fast einen Strich.

Als er fertig war, streckte Taxian-Jun die Hand aus und zog eine Linie seines Namens mit dem Finger nach.

Chu, Wan, Ning“, las er langsam vor, sein Mund kostete jede Silbe aus, als versuche er, sie sich ins Gedächtnis einzuprägen.

Chu Wanning wurde rot. Je öfter Taxian-Jun ihn aussprach, desto weniger überraschte es ihn noch, seinen Namen zu hören. Doch wenn Taxian-Jun ihn mit einem solchen Ernst sagte, wenn er ihn auf eine Weise gurrte, wie er auch ein schmutziges Wort im Bett aussprechen würde, konnte Chu Wanning nicht anders, als darauf zu reagieren, und die Hitze durchjagte dann seinen ganzen Körper.

Trotz Taxian-Juns streng getaktetem Terminplan, hatten sie seit Chu Wannings Ankunft schon unzählige Male Sex miteinander gehabt. Jede Nacht wallten ihre Körper zusammen auf und sie umfassten sich fest, ihre Herzen schlugen im Einklang und das Geräusch ihres heißen Atems erfüllte die Luft. Allerdings war Taxian-Jun noch nicht in ihn eingedrungen – nicht ein einziges Mal. Doch abgesehen davon hatten sie so gut wie alles andere gemacht – sie waren auf so gut wie jeder Oberfläche gekommen, auf Chu Wanning selbst – und so hörte Chu Wanning auf, sich die Frage nach dem Warum zu stellen, er hörte auf, es infrage zu stellen.

Immerhin war klar, dass Taxian-Jun noch nicht aufgehört hatte, ihn zu begehren. Er musste also seine Gründe haben, warum er bis jetzt ein direktes Eindringen vermieden hatte – was auch immer das für welche sein mochten.

Wie schreibt man deinen Geburtsnamen?“, fragte Chu Wanning und unterdrückte seine Begierde.

Taxian-Juns Summen rollte als leises Vibrieren durch seinen Körper. „Mo wie die Tinte und Ran wie verbrennen. Das Schriftzeichen wird auch in dem Wort für Brennstoff genutzt.“

Dann ist er eindeutig ein guter Brandbeschleuniger, fand Chu Wanning. In mehr als nur einer Weise.

Warum hast du deinen Namen geändert?“

Diesmal war es an Taxian-Jun ihn verdutzt anzusehen, und Chu Wanning konnte in seinem Rücken fühlen, wie sein Herz ein wenig aus dem Rhythmus kam.

Es folgte eine übermäßig lange Pause, ehe er wieder sprach.

Weil ich dachte, dass ich damit wohl eher dei-“ Taxian-Jun hielt inne und atmete einmal scharf ein. „- die Aufmerksamkeit der Leute kriegen würde.“

Chu Wanning beschloss, auf diese hastige Korrektur nicht weiter einzugehen. „Mehr als mit Mo Ran?“

Eine weitere Pause, dann ein Nicken.

Chu Wanning hatte die Schriftzeichen, mit denen Taxian-Jun geschrieben wurde, auf den Briefumschlägen gesehen, die an ihn adressiert waren. Der Eine, der die Unsterblichen nieder trampelt. Ein passender Name für einen ehrgeizigen, jungen Kaufmann, der es geschafft hatte, in so kurzer Zeit das Handelsgeschäft zu dominieren. Aber…

Mir gefällt Mo Ran besser“, sagt Chu Wanning. Taxian-Juns Arm verkrampfte sich um seine Taille. „In diesem Namen liegt eine Sanftheit, die Taxian-Jun fehlt. Eine Art Leidenschaft, die von Loyalität und Gelehrtheit spricht.“

Für einen Moment lang hielt Taxian-Jun ihn nur fest, sein Atem ging warm und schaudernd an Chu Wannings Hals. Dann glitten seine Finger unter Chu Wannings Kiefer und drehten seinen Kopf für einen tiefen, saugenden Kuss nach hinten.

Scheiße“, zischte er, und dieses schmutzige Geräusch fuhr direkt in Chu Wannings Schwanz hinein. „Die Dinge, die du mit mir machst…“

Sie schafften es noch nicht einmal auf ihr Zimmer zurück.

Tinte spritzt über den Boden, Pinsel und Papier flog umher, als Taxian-Jun alles vom Tisch fegte, dann Chu Wanning darauf nieder drückte und seinen Gürtel mit noch derselben Bewegung von ihm abzog. Er löste den eigenen Gürtel, bevor er auf die Knie sank und an der zarten Haut von Chu Wannings Oberschenkeln saugte.

Chu Wanning wusste, dass er mit Sicherheit Male davon tragen würde – blaue Flecke in der Form von Taxian-Juns Mund und seinen Fingern. Der Gedanke daran ließ das Verlangen in seinem Bauch noch stärker brodeln und ihm entwich ein schamloses Stöhnen, als Taxian-Jun seine Pobacken auseinander zog, und langsam neckend mit seiner Zunge Chu Wannings Loch aufzustemmen begann.

Bald schob drückte sich Chu Wanning mit einem Keuchen auf dem Tisch durch, während Taxian-Jun seine Zunge und seine Finger tief in ihm vergraben hatte. Bald schon kam Taxian-Jun auf ihm, seine Hand massiert seinen gigantischen Schwanz so lange, bis er die blasse Haut seines Partners mit einer weiteren Zierde aus weißen Streifen schmückte. Er rief Chu Wannings Namen dabei.

Meister“, kam dieselbe ängstliche Stimme aus Richtung Tür. „Für das Abendessen haben wie Meister Chu’s Lieblingsgerichte vorbereitet, wie Ihr es befohlen habt…“

Sie öffnete sich, schon wieder.

Ich sagte doch, dass du immer erst die Türen abschließen sollst“, fauchte Chu Wanning, doch die Schärfe in seiner Stimme ging durch die leichte Heiserkeit darin verloren.

Taxian-Jun lachte atemlos.

_____________________________

Der Frühling brach an und die Knospen öffneten sich.

Wenn Chu Wanning mit seinem Leben im Hause Ran zufrieden gewesen war, dann war er nun mit Taxian-Jun vielleicht sogar… glücklich.

Dieser Mann war immer noch launisch, immer noch kleinlich, und er strotzte immer noch vor deutlich mehr Selbstbewusstsein, als ein Mann alleine es besitzen sollte.

Aber in ihnen allen gab es Anzeichen der Freundlichkeit. Das bewies er jedes Mal, wann immer er jedem Wunsch und jedem Bedürfnis von Chu Wanning entgegen kam, ohne es groß anzusprechen und ohne Anerkennung deswegen zu verlangen. Und Chu Wanning genoss es, wenn er sehen konnte, wie ein Leuchten über Taxian-Juns Gesicht lief, so sanft und zufrieden, wann immer er ihn bei seinem Geburtsnamen nannte – Mo Ran, komm und sieh’ die das an. Mo Ran, was denkst du dazu? Mo Ran, Mo Ran, Mo Ran.

Etwas lag in dieser Geste, das auch Chu Wanning ansprach, wann immer Taxian-Jun ihn bei seinem eigenen Namen nannte und sich Taxian-Juns Mund so hinreißend lächelnd um die Worte legte. Nach einem ganzen Leben, was voll von verschiedenen Namen gewesen war, war Chu Wanning nun endlich wieder Chu Wanning, und nun wurde er begehrt und geliebt und gerade wegen dieses Namens respektiert und nicht nur trotz des Namens geduldet.

Dies war dann über allem anderen noch der wahre Grund, warum sich Chu Wanning dafür entschied, bei Taxian-Jun zu bleiben. So lange ihn dieser Mann weiter haben wollte.

Diese Woche war Taxian-Jun auf einer Geschäftsreise. Aber er schrieb ihm jeden Tag und Chu Wanning konnte Taxian-Jun in den Briefen sehen und in seiner ungeschickten Handschrift und den mühsam formulierten Absätzen. Einen Absatz lang sprach er über all die Dummheit, mit der er sich rum ärgern musste, und die Inkompetenz um ihn her. Den Rest des Briefes dann erging er sich in gehörig schmutzigeren Worten, angefangen damit, wie sehr Chu Wanning ihn und seinen geschickten Mund und seine Hände vermissen musste, und schließlich endete er mit einer lebhaft bildlichen Beschreibung von dem, was genau er jetzt mit Chu Wanning machen würde, wenn Chu Wanning denn bei ihm wäre.

Zu Chu Wannings großer Schande hatte er den Überblick verloren, wie oft er es sich schon selbst gemacht hatte, während er diese Briefe las. Wie oft er seinen Kopf schon in den Nacken gelegt und dabei geseufzt hatte, während er sich selbst befriedigte und er sich dabei Taxian Jungs dunkle Augen vorstellte, die auf ihm lagen, oder Taxian-Juns Lippen, dich sich eng und fest um seinen Schwanz gelegt hatten.

Er weigert sich, darüber in seinen Antwortbriefen zu schrieben.

Am letzten Tag von Taxian-Juns Reise beschloss Chu Wanning, ihn mit einem Geschenk zu überraschen. Mit etwas Kleinem und Besticktem. Er bat die Diener, ihm einige Muster von Taxian-Juns Lieblingsfarben und -ornamenten zu bringen, sodass er wissen würde, woran er sich orientieren konnte. Wie immer kamen sie dem eilig nach und sie brachten ihm innerhalb eines Wimpernschlages eine ganze Kiste voller Beispiele auf sein Zimmer.

Den Blick immer noch zu Boden gerichtet, nahm die Dienerin, die die Kiste gebracht hatte, ein bestimmtes Tuch heraus und breitete es flach auf dem Tisch aus, damit Chu Wanning es betrachten konnte.

Das ist der kostbarste Schatz unseres Meisters“, sagte sie.

Es war ein Taschentuch. Aus blass-blauer Seide.

In der einen Ecke war das Kanji-Zeichen Ran gestickt.

Chu Wannings Brust verengte sich, ihm wurde ganz heiß.

Er dachte an große, weit aufgerissene Augen, an runde Wangen, die mit Dreck beschmiert waren. An diese Unschuld und die aufrichtige Entschlossenheit, die so leuchtend und feurig brannte wie die Sonne zur Mittagsstunde.

Er dachte an eine Zierapfelblüte, die ein wenig zerdrückt und wohl behütet in der Kuhle von zwei aneinander gelegten Händchen lag.

Schöner Herr. Kannst du mich als deinen Schüler aufnehmen?

Ich verspreche dir, dass ich dich zum Lächeln bringen werde.

Ein echtes Lächel, nicht wie dieses gerade.

Ich werde dich nicht vergessen.

Chu Wanning war so überwältigt, dass er sich kaum noch daran erinnerte, wie er die Dienerin entlassen hatte, die dann auf ihren Knien rückwärts aus dem Zimmer rutschte und die Tür geräuschlos hinter sich schloss.

War Taxian-Jun…?

Aber warum hatte er es ihm nicht gesagt? Warum sollt er dieses Geheimnis für sich behalten? Vielleicht war es ja wirklich nur ein Gegenstand, den er sich irgendwann mal aus einem Laden besorgt hatte, der auch Ran hieß – in Japan ein recht häufiger Name.

Und doch ergab es Sinn. Die Art, wie Taxian-Jun vor der getrockneten Blume an seiner Wand gestanden hatte, die Art, wie Taxian-Jun sich verhalten hatte, wann immer er sie erwähnte. Warum Taxian-Jun von all den Kurtisanen, die er sich in Maruyama hätte beschaffen können, ausgerechnet ihn gewählt hatte.

Chu Wanning strich mit seinem Zeigefinger über das Schriftzeichen.

Die ganze Zeit über“, flüsterte er, „hast du versucht, mich zum Lächeln zu bringen.“

Der Zierapfel vor dem Fenster, die Bücherregale voller japanischer Texte, das Koto, die Schreibutensilien, seine Leibgerichte, die Snacks und Süßspeisen. Selbst sein Zimmer, das als ein genaues Ebenbild seines Schlafquartiers im Ran eingerichtet worden war.

Bei mir wird es dir an nichts fehlen.

Chu Wannings Blick blieb noch einen Moment lang auf dem Taschentuch kleben, bevor er nach dem Nähkästchen griff.

Nun wusste er, was er Taxian-Jun schenken konnte.

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Als Taxian-Jun zurückkam, saß Chu Wanning an seinem Koto und seine Finger woben eine Melodie, die mal hoch und mal tief klang und in ihrer Art sehr sehnsuchtsvoll war.

Willkommen zurück, Mo Ran.“

Taxian-Juns Grinsen war glühend.

Ich finde das Qin immer noch besser“, grummelte er schnaubend und er beugte sich vor, um einen Kuss zu erhaschen.

Chu Wanning ließ ihn machen. „Ich habe es schon immer mal lernen wollen.“

Dann wirst du morgen ein Qin bekommen“, entschied Taxian-Jun.

Chu Wanning konnte das leise Ziehen der Gefühle in seiner Brust nicht mehr länger ignorieren. Es lauerte gleich dort in seiner Herzen und kam der Oberfläche jedes Mal so nahe, wann immer Taxian-Jun seinen Eifer zeigte, ihm gefallen zu wollen – selbst wenn er ihn sehr gut hinter seiner hochmütigen Maske verbergen konnte.

Dass er nun die Wahrheit kannte, machte dieses Gefühl nur noch stärker.

Ich habe ein Geschenk für dich“, sagte Chu Wanning.

Er brauchte einen Moment, um einen freudig erregten Taxian-Jun zu besänftigen, dessen Hände sich wie auf Autopilot bereits schon nach dem Gürtel seiner Kleider ausgestreckt hatten. Also wirklich, konnte dieser Mann denn nur an das Eine denken? Mit größtem Widerwillen und einem eingeschnappten Grummeln ließ es Taxian-Jun dann zu, dass er ihn von sich schob, damit er sein Geschenk entgegen nehmen konnte.

Chu Wanning hatte sich für etwas sehr Schlichtes entschieden, etwas von dem er hoffte, dass es die Gefühle in ihm gut vermitteln würde. Etwas, das der andere kannte.

Taxian-Juns Atem geriet ins Stocken, als Chu Wanning es ihm zeigte: ein blaues Seidentaschentuch mit einem darauf gestickten Rahmen aus Zierapfelblüten und sein Name „Mo Ran“ in sauberen, weißen Schriftzeichen gleich neben dem drauf gemalten Name des Bordells „Ran“.

Du…“ Er schluckte und seine Stimme bebte leicht. „Wie hast du…“

Eine deiner Dienerinnen hat es mir gebracht“, sagte Chu Wanning.

Taxian-Juns Kiefer verkrampfte sich und dann setzte er sich in Bewegung und lief mit großen Schritten auf die Tür zu. Instinktiv packt ihn Chu Wanning am Arm und ignorierte dabei den mörderischen Blick, dem ihm Taxian-Jun zuwarf. „Wohin willst du?“

Diesen Idioten bestrafen, der meine Sachen durchwühlt hat“, fauchte Taxian-Jun.

Sie haben es wegen mir getan“, sagte Chu Wanning scharf. „Ich habe nach einem Muster deiner Lieblingsfarben und -ornamente gefragt.“

Das gibt ihnen noch lange nicht das Recht dazu“, knurrte Taxian-Jun und er riss seinen Arm aus Chu Wannings Griff frei. „Vor allem nicht das hier. Du hättest es niemals erfahren sollen!“

Unter all den Reaktionen, mit denen Chu Wanning gerechnet hatte, war diese nicht dabei gewesen.

Die Wut loderte in ihm auf, Flammen leckten an seinen Eingeweiden, versengten ihm die Knochen. Er hätte es wissen sollen. Der große und einflussreiche Taxian-Jun schämte sich, dass er es je in Betracht gezogen hatte, als eine Kurtisane zu arbeiten – und das eine ehemalige Kurtisane von seinen dummen Kindheitswünschen wusste.

In seiner immer stärker werdenden Zuneigung für Taxian-Jun hatte er dieses Erinnerungsstück dummerweise für eines der Sentimentalität und der Begierde gehalten.

Warum?“, schnappte er zurück. „Warum solltest du das vor mir verstecken? Warum solltest du dieses Taschentuch behalten, wenn du dich so sehr schämst? Oder motiviert es dich, dass du besser werden musst als dieser wertlose, schmutzige-

Ich dachte, du würdest mich verlassen“, bellte Taxian-Jun.

Chu Wannings Worte verliefen hinten in seiner Kehle im Sande. „Was?“

Ich dachte, du würdest gehen, wenn du es herausfindest“, sagte Taxian-Jun erneut, diesmal sanfter. Er seufzte verstört und sah dann weg. „Ich habe hart gearbeitet, um diese Rang zu erreichen. Um Taxian-Jun zu werden. Um deiner würdig zu werden. Damen, Kurtisanen, sogar Geishas … sie haben sich mir alle an den Hals geworfen, haben wie Hunde auf dem Bauch kriechend um meine Aufmerksamkeit gebettelt. Aber du… du bist anders. Ich musste dich erst aus dem Ran rausholen, ehe du mich endlich anerkannt hast. Ich musst dir erst meinen Status, meinen Wert zeigen, sodass du alles, was ich erreicht habe, mit deinen eigenen Augen sehen konntest.“

Als seiner Kehle kam ein seltsames Geräusch – irgendetwas zwischen einem Lachen und einem Schluchzen – und Chu Wanning fühlte sich bei diesem Geräusch innerlich so kalt.

Warum solltest du auch einen Mann ansehen, der einst ein schmutziger, kleiner Straßenjunge gewesen war, mit einer Blume, die er vom Baum eines anderen gepflückt hatte?“

Taxian-Jun war verschwunden und nun war nur noch Mo Ran da. Ein verängstigter, einsamer Mo Ran, der sein ganzes Leben damit zugebracht hatte, einen Weg zu suchen, um Chu Wanning zu gefallen und ihm zu dem seinen zu machen.

Es könnte keinen geben, der eine solche Hingabe weniger verdiente als Chu Wanning.

Doch hier ging es nicht um ihn.

Ich habe die Blume behalten“, sagte Chu Wanning leise.

Ich weiß“, murmelte Taxian-Jun. „Weil du Zierapfelblüten magst.“

Das war nicht der Grund dafür.“

Taxian-Jun sah ihn an, die Ränder seiner Augen waren leicht gerötet. Er zögerte und fragte dann dünn: „Was könnte es sonst für einen Grund geben?“

Sie hat mir Hoffnung gegeben“, sagte Chu Wanning. „Du hast mir Hoffnung gegeben.“

Taxian-Juns Mine änderte sich und nun konnte es Chu Wanning endlich sehen. Er sah den Ausdruck, der über sein Gesicht huschte und ebenso schnell wieder verschwand. Als könnte er nicht glauben, dass Chu Wanning immer noch hier war, bei ihm. Und als würde er es niemals glauben können.

Chu Wanning hob die Hand und legte sie um die Kurve von Taxian-Juns Wange. „Du hast dir ein Leben errichtet, das es wert ist, gelebt zu werden. Aber ich bin nicht wegen Taxian-Jun geblieben oder wegen seinem Geld oder seiner Errungenschaften. Ich bin wegen Mo Ran geblieben. Einem süßen und freundlichem Mo Ran, der mir einst eine Blume schenkte und ein Versprechen, das er mehr als erfüllt hat.“

Taxian-Jun machte wieder dieses Geräusch, er zitterte.

Mo Ran.“ Chu Wanning sah lächelnd zu ihm auf. „Mo Ran, ich sehe dich.“

Taxian-Jun, nein -

Mo Ran hielt ihn fest und er weinte.

_____________________________

Diesmal war es nicht wild. Es gab kein wirres Abwerfen der Kleider oder verzweifelte Küsse – allein das sichere Gefühl von Mo Rans Gewicht auf seinen Hüften, Mo Rans Lippen an den seinen, weich und süß und langsam.

Die Kleider glitten herunter, Chu Wanning lehnte sich in dem Bett zurück und Mo Ran folgte ihm, er drückte ihn in die Laken hinein, seine Knie lagen zu beiden Seiten von Chu Wanning. Er strich über das wellige Haar an Chu Wannings Schläfe und wanderte dann mit der Hand weiter an der Kurve seines Halses entlang zur Linie seiner Schlüsselbeine. Er beugte sich hinunter, um denselben Pfad mit seinem Mund zu folgen, seine Hände änderten die Position, um nun Chu Wannings Hüfte zu umfassen, wobei seine Finger auf den Weg nach unten über seine Brustwarzen strichen.

Chu Wanning seufzte und seine eigenen Hände fuhren sanft Mo Rans Schulterblätter entlang, seine Wirbelsäule hinunter. Mo Rans andachtsvolle Berührungen – die Art, wie er ihn ansah, durch Schichten der Hitze und der Zärtlichkeit hindurch – ließ etwas in ihm aufbrechen und dieses eine, ganz bestimmte Gefühl ergoss sich in seinem Brustkorb. Irgendwann einmal würde er es Mo Ran mit Worten sagen müssen, doch nicht jetzt. Für jetzt zeigte er es Mo Ran mit seinem Lächeln und seinen Küssen.

Mit der Art, wie er den Fuß von Mo Rans Penis ergriff, seine Finger waren warm und sicher.

Wanning“, keuchte Mo Ran. „Du -“

Chu Wanning massierte ihn, seine Lippen bogen sich, als Mo Ran zitterte und in seine Hand hinein stieß. Es war nicht das erste Mal, dass er Mo Ran so hielt, doch es war das erste Mal, dass er es tat, ohne vorher dazu aufgefordert zu werden. In jeder anderen Nacht, wäre ihm die Kühnheit seiner Taten peinlich gewesen, dieses völlige Fehlen an Scham. Aber nicht heute.

Heute Nacht wusste er genau, was er wollte.

Komm in mich“, sagte Chu Wanning.

Mo Ran starrte ihn mit offenem Mund an. „Ich dachte, du würdest es nicht wollen… nach all dem Jahren im Bordell…“

Oh, also das war der Grund dafür?

Chu Wanning lachte und Mo Ran wurde rot und er zog eine Schnute, bevor er sich wieder hinunter lehnte und das ausgestoßene Lachen mit einem tiefen Kuss einfing.

Wir haben einiges nachzuholen“, schnurrte er an seinem Mund.

Nun war es an Chu Wanning, rot zu werden, und dann zog Mo Ran ihn näher und streckte sich, um nach der Flasche neben dem Bett zu greifen. Sie hatten wortlos beschlossen, dass es wohl das einfachste wäre, sie dort stehen zu lassen, selbst wenn sie es dann doch woanders machen sollten. Das taten sie oft.

Er sah mit halb gesenktem Blick dabei zu, wie Mo Ran den Korken herauszog und seine Finger mit Öl einfettet. Das hier hatten sie schon eine Millionen Mal gemacht – dieser Teil war ihm vertraut. Dennoch machte sein Herz einen Satz, als er fühlen konnte, wie Mo Rans Finger seinen Eingang umkreisten, und seine Wimpern bebten auf seinen Wangen.

Wanning“, keuchte Mo Ran und der Gesichtsausdruck war wieder da, so voller Staunen.

Wie offen er doch war, wenn er nicht Taxian-Jun verkörperte – wie verletzlich.

Chu Wanning wollt Mo Ran sagen, dass er selbst hier der Glückspilz war, und dass Mo Ran die Schönheit war, die so viel Besseres verdient hätte. Doch diese Worte verloren sich, als Mo Ran mit einem Finger in ihn glitt, ihn heraus zog und er dann wieder in ihn eintauchte, diesmal deutlich tiefer. Selbst das war sanft, langsam, und ganz anders als die scharfen, groben Stöße, die von der Begierde und Verzweiflung angefacht worden waren. Weil sie sich nun gemeinsam die Zeit nehmen konnten, und Mo Ran nun wusste, dass Chu Wanning nirgendwo anders hingehen würde.

Chu Wanning versenkte seine Zähne in seiner Unterlippe, als Mo Ran erneut nach dem Öl griff und er seine Finger und seine Handfläche einrieb. Er atmete zittrig aus, als Mo Ran sich selbst ergriff und sich auf seinen Eingang zubewegte.

Mo Ran war groß.

Chu Wanning wusste das, er erinnerte sich an all die Male, an denen er sich wegen Mo Rans dickem Umfang verschluckt hatte, wie sich seine Lippen unbehaglich hatten dehnen müssen, als er versucht hatte, ihn völlig in sich aufzunehmen.

Würde er denn passen?

Mo Ran hielt inne, die Brauen hatte er zusammen gezogen. Schon immer hatte er einen sechsten Sinn für Chu Wannings Unbehagen gehabt. „Wenn du es nicht willst -“

Ich will“, sagte Chu Wanning schnell, ehe sein verräterischer Verstand noch einen Rückzieher machen konnte. „Das tue ich, aber kannst du…“ Sein Augen huschten hinab zu Mo Rans Länge, sein Hals wurde ganz trocken bei dem Anblick, der sich ihm bot. Konnte er was? Es langsam machen? Ihn mit sanften Stößen nehmen? Er war sich nicht sicher, was er vorschlagen sollte – all die Jahre, in denen er als die am höchsten angesehene Kurtisane gearbeitet hatte, hatten ihn nicht auf das hier vorbereiten können.

Es ist okay.“ Mo Ran küsste ihn auf die Stirn. „Wir können jederzeit aufhören.“

Ah. Ja.

Mit Mo Ran hatte er nun die Wahl.

Chu Wanning nickte einmal kaum merklich.

Und so drückte sich Mo Ran gegen seinen Eingang – er presste sich in ihn hinein, tiefer, weiter, Zentimeter um Zentimeter und Chu Wanning fühlte, wie sich sein Innerstes dehnte, um Mo Ran Platz zu machen, wie sich sein Loch um den dicken Schaft verkrampfte. Sein Herz raste wie verrückt, doch er hatte sich schon so lange nicht mehr so gefühlt – hatte sich noch nie so ausgefüllt gefühlt – daher konnte er sich nun auch nicht zurückhalten: Er musste einfach seine Hüften bewegen und diesem Gefühl begegnen und noch mehr davon in sich aufnehmen.

Mo Rans Atem entwich ihm mit einem Zischen, als er seine Lippen fest zwischen seine Zähne einsaugte.

Tu das nicht“, sagte er rau. „Wenn du dich so bewegst, werde ich-“

Chu Wanning sah zu ihm auf. Sein Wangen waren rot und die Augen hatte er fast zu Schlitzen verengt.

Mo Ran fluchte und dann stieß er in ihn hinein, direkt bis zur Basis, und Chu Wannings Mund klappte mit einem Keuchen auf, als jeder Atem aus seinem Körper entwich.

Wanning“, sagte Mo Ran zittrig. „Wanning, habe ich die weh getan, habe ich -“

Mir geht’s gut“, brachte Chu Wanning heraus. Das tat es nicht, doch gleich würde es so sein. „Beweg dich… einfach.“

Mo Ran leckte sich über die Lippen und nickte. Dann stieß er zu, er rollte in ihn hinein und öffnete ihn damit noch weiter, sein Gesicht hatte er an die Kurve von Chu Wannings Hals gedrückt, sein Atem ging heiß und schnell, als er an ihm murmelte: „Wanning, Baobei, du bist so eng, so gut, so perfekt-“

Baobei. Liebling.

Ein neuer Name.

Chu Wanning legte seine Arme um Mo Rans Hals, schamlose Laute kamen aus seinem Mund, wann immer Mo Ran sich ganz in ihn versenkte. All die zärtlichen Namen, die ihm seine Klienten gegeben hatten, hatte er von sich gewiesen – wusste er doch, dass er für sie nichts weiter war als ein Luxusartikel, den sie für das eigene Vergnügen nutzen konnten. Doch einen Name von Mo Ran wollte er behalten. Er wollte ihn nah an seinem Herzen tragen und ihn dort so lange behüten, bis er seinen letzten Atemzug tat.

Baobei, Himmel, wie du mich in dich ziehst – Ich, ngh, hätte dich schon vor Ewigkeiten ficken sollen -“

Die Röte auf Chu Wannings Wangen brannte flammend heiß. Vielleicht mochte er es nicht, wenn Mo Ran seinen neuen Namen auf diese Art benutzte.

Hör auf zu reden“, fauchte er eingeschnappt. Mo Ran lachte und wiegte sich an ihm, er fand den richtigen Punkt, der hinter Chu Wannings Lidern ein Feuerwerk entzündete. Er fand ihn und er stieß gegen ihn, wider und immer wieder, bis Chu Wanning kam, wobei er sanft Mo Rans Namen schrie, und Mo Ran folgte ihm und seine Hände an seiner Seite packten nur noch fester zu.

Mo Ran zog sich nicht aus ihm zurück. Er brach einfach nur über ihm zusammen, schweißnass und atemlos, sein Herz schlug an Chu Wannings.

Chu Wanning hätte sich gerne beklagt, doch er war fast ebenso atemlos wie der andere und musste sich nach dem Höhepunkt noch sammeln. Stattdessen ließ er seine Finger in Mo Ran seidene Haarsträhnen gleiten und er kratzte ihm sanft über die Kopfhaut.

Mo Ran seufzte, vollkommen zufrieden.

Sie drifteten ab, Mo Ran benutzte Chu Wannings Brust als sein Kissen, und Chu Wannings Hand lag auf Mo Rans Nacken, als plötzlich ein Gedanke durch Chu Wannings Kopf schoss.

Haben wir die Tür geschlossen?“, fragte er in die Stille hinein.

Mn“, sagt Mo Ran schon halb schlafend. „Ich hab sie abgesperrt, sobald wir das Zimmer betreten hatten.“

Chu Wanning lächelte.

_____________________________

Das Qin kam gleich am nächsten Tag, zusammen mit einem Lehrer und einer ganzen Sammlung an Noten und Musiktiteln.

Chu Wanning bat auch um chinesische Texte, sowie um verschiedene Lehrer, die sich mit chinesischer Geschichte, Wirtschaft, Kultur und Politik auskannten. Rasch suchte Mo Ran innerhalb von drei Tagen unterschiedliche Lehrer auf und er organisierte Treffen zwischen ihnen und Chu Wanning – die immer in Begleitung eines Dieners stattfanden.

Niemand wird dich alleine treffen dürfen, wenn ich weg bin“, sagte Mo Ran, als Chu Wanning nachfragte. „Und ich kann ja wohl kaum deine Lehrer bestrafen, wenn sie dir ins Gesicht blicken.“ Er hielt inne. „Oder doch?“

Chu Wanning stieß ein Seufzen aus. Er hatte gelernt, dass es schwierig war, Taxian-Jun vollkommen abzuschalten. Nicht wenn es sich bei ihm um eine Figur handelte, auf der Mo Ran seinen Erfolg aufbaute. Er hatte es gerade noch so geschafft, Mo Ran zu überreden, nicht die arme Dienerin auszupeitschen, die ihm das Taschentuch gebracht hatte: „Sie ist der Grund, warum wir nun beide die Wahrheit kennen, Mo Ran.“ - „Aber wie sollen die anderen denn sonst lernen, dass sie sich nicht in meine Angelegenheiten einzumischen haben?“

Mo Ran zog Chu Wanning eng zu sich und er drückte seine Lippen auf seine Stirn. „Spiel mir etwas vor, wenn ich wieder komme, Wanning. Auf dem Qin, dort unter dem Zierapfel.“

Chu Wanning nickte. Die Blütenblätter welkten schon, doch Mo Ran würde zurück sein, bevor alle verschwunden waren. „Hast du denn alles?“

Mo Ran steckte die Hände in seine Kleider und zog ein seidenes Taschentuch hervor; es war ein blaues Blitzen in seiner Hand. „Mehr brauch ich nicht“, sagte er frech, ehe er es wieder an seinem Körper verstaute und den Dienern mit einem Wink bedeutete, sie sollen sein Gepäck nehmen.

Chu Wanning begleitete ihn bis zum Tor.

Ich werde auf dich warten“, sagte er.

Mo Rans Lächeln war sehr sanft, als er sich noch mal für einen Kuss zu ihm lehnte.

Ich weiß.“

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Chu Wanning hatte sich daran gewöhnt, dass er viele Namen trug.

Nun hatte er nur noch zwei.

Und er wollte sich nie daran gewöhnen müssen, sie zu hören.


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KimonoDer Kimono ist ein traditionelles, japanisches Kleidungsstück. Er besteht aus einem großen, rechteckigem Stück Stoff, das auf komplizierte Weise um den Körper gefaltet wird, bis ein bodenlanges Gewand entsteht, das beide Arme bedeckt. Er wird in der Körpermitte mit einem breiten Gürtel zusammen gehalten.

ObiEin extravaganter, großer Gürtel, der den Kimono zusammen hält. Es gibt ihn in vielen verschiedenen Formen und Größen. Meistens wird ein Obi von Frauen getragen. Anders als der traditionelle Gürtel für den Kimono ist ein Obi vor allem ein Statussymbol, und er kann zum Teil teurer sein als der Kimono selbst.

OiranSo wurden die hochrangigen Prostituierten eines Hauses genannt. Ihre Dienste zu erkaufen war meist sehr teuer, da sie gebildeter waren und ihre Kunden deutlich besser unterhalten konnten. Sie mussten alle traditionellen Künste beherrschen (Gesang, Musik, Literatur, Malerei, Kalligrafie, Poesie) und wurden allgemein für die Unterhaltung gebucht. Oirans durften auch frei wählen, mit wem sie schlafen würden. Über ihnen standen nur noch die Tayu, die nur für die Unterhaltung zuständig waren und keinen Sex hatten – im 18. Jahrhundert verschwand diese Berufsbezeichnung aber und jede Prostituierte musste sich dazu verpflichten, auch auf die körperlichen Bedürfnisse der Kunden einzugehen.

TsukemawashiDer niederste Rang in einem Freudenhaus. Anders als die Yobidashi, die man nur auf Vorbestellung buchen konnte und die sich zwei jüngere Prostituierte als ihre Bediensteten halten konnten (die sogenannten Shinzo), und die Chusan, die die Gäste in einem separaten Teehäuschen empfangen konnten, mussten die Tsukemawashi sich immer im großen Empfangsraum aufhalten und durften mit ihren Freiern nur die normalen Räume des Bordells benutzen.

OrandayukiOrandayuki: In manchen japanischen Bordellen wurde unterschieden, welche Prostituierten welchen Kundenstamm bedienten. Orandayuki waren für die niederländischen oder europäischen Kunden zuständig, Karayuki für die chinesischen und Nihonyuki für die japanischen.

FumikoshiÜbersetzt bedeutet dieser Name so viel wie „Überschreitung“ oder „Ausschweifung“.

KotoEin japanisches Saiteninstrument, das aus einem mit 13 Saiten bespannten Wölbebrett besteht und flach vor dem Spieler auf einem Tisch liegt. Es ähnelt dem chinesischen Guqin.

MaruyamaDas Rotlichtviertel in der Stadt dieser Geschichte. Bordelle und Freudenhäuser findet man nur hier und auch nur in diesem Bezirk durften die Prostituierten wohnen. Abends gingen die Prostituierten meist in die anderen Viertel, um ihre Dienste zu verkaufen. Andere durften das Viertel zwar betreten, es galt aber als verpönt, sich dort zu lange aufzuhalten.

Qin: Die Kurzform von Guqin – die chinesische Variante des Kotos.


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